Archiv der Kategorie: Evolution

Video: Was ist Evolution

Letztens bin ich über ein Video gestolpert, welches recht gut erklärt, was Evolution eigentlich ist. Nämlich die Veränderung der vererblichen Eigenschaften innerhalb einer Population über die Zeit.

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Werden die Menschen wirklich immer dümmer?

Um es kurz zu machen: Ich weiß es nicht.

Was ich aber weiß ist, dass die Behauptung, die in den letzten Wochen durch die Medien geisterte, dass Forscher herausgefunden hätten, dass dem so sei, nicht zutrifft.

Hier beziehen sich die besagten Medien auf einen Artikel von Gerald R. Crabtree, der im November online auf dem Fachjournal Trends in Genetics erschien. In diesem stellt der Autor seine Hypothese vor, dass die Menschen durch mittlerweile fehlenden selektiven Druck auf Intelligenz hin, immer dümmer werden.

Er begründet diese Hypothese, indem er sich anschaut, wie viele Gene auf dem X-Chromosom intellektuelle Beeinträchtigungen hervorrufen, wenn sie mutiert sind (X-linked intellectual disability, XLID) und rechnet dann auf unser gesamtes Genom hoch.
Eine Mutation in etwa 200 Genen von den etwa 800 auf dem X-Chromosom gelegenen führt zu XLID und es gibt keine Hinweise darauf gibt, dass das X-Chromosom für Gene, die sich auf unsere Intelligenz auswirken, angereichert ist. Darüber schätzt er, dass etwa 10 % – 25 % unserer Gene eine Auswirkung auf unsere Intelligenz haben.
Außerdem folgert er daraus, dass nur eine Mutation in einem der 200 Gene, die in XLID herein spielen, auch zu XLID führt, dass es wenig Redundanz bei den für unseren Intellekt zuständigen Genen vorhanden ist. Es ist also relativ wahrscheinlich, dass Mutationen in den sich auf unsere kognitiven Fähigkeiten auswirkenden Genen auftreten und sich dort anhäufen.

Soweit ist das eine sehr schlüssige Hypothese, die Crabtree vorstellt.

Spekulativ wird er dann, sobald er behauptet, dass keine Selektion gegen nachteilige Mutationen auf diesen Genen stattfindet. Begründet wird das damit, dass in Jäger-und-Sammler Gesellschaften kognitive Fähigkeiten wichtiger waren, als in städtischen Gesellschaften. Dort wird mangelnde Intelligenz durch gegenseitige Unterstützung ausgeglichen. Dadurch, dass mehr Menschen zusammen wohnen, wird aber eine stärkere Resistenz gegen Krankheiten begünstigt. Er behauptetet nicht, so wie es in einigen Artikeln zu lesen war, dass diese Krankheitsresistenz selber die Intelligenz herab setzt.

Die Sache ist nur – er hat keine Belege dafür, dass in nomadischen Gesellschaften wirklich stärker auf kognitive Fähigkeiten selektiert wird. Er schlägt aber ein Experiment vor, mit dem man seine Hypothese prüfen kann.

Weiterhin gibt er zwar zu, dass viele der Gene, die er nennt, primär andere Funktionen haben und sich nur mittelbar auf die Intelligenz auswirken, verschweigt aber, dass gegen Mutationen in diesen Genen auch aus anderen Gründen selektiert werden kann und höchst wahrscheinlich auch wird. Dieses finde ich ein wenig unglücklich.

Zusammenfassung

Zusammenfassend muss man also feststellen, dass Crabtree eine interessante Hypothese vorstellt, die man sicherlich einmal näher untersuchen sollte. Er zeigt jedoch nicht, so wie es viele Zeitungen und Zeitschriften darstellten, dass wir Menschen unsere intellektuellen Fähigkeiten verlieren.

Quellen

Crabtree G.R. (2012). Our fragile intellect. Part I, Trends in Genetics, DOI:

Crabtree G.R. (2012). Our fragile intellect. Part II, Trends in Genetics, DOI:

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Wir Chordaten

Da ich momentan etwas beschäftigt bin, stelle ich hier noch mal ein Video vom CrashCourse Biology ein.

Diesmal geht es um den Stamm, dem wir selber angehören, den Chordaten:

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Der Baum des Lebens: Sie befinden sich hier

Das ist jetzt in gewisser Weise ein kleiner Teaser für meinen nächsten Artikel und viele werden die Grafik wharscheinlich schon kennen. Für die, die diese aber noch nicht kennen hoffe ich, dass sie genau so beeindruckt davon sind, wie ich es war, als ich die Grafik zum ersten mal sah.

Gezeigt wird ein Phylogram allem Lebens welches anhand von RNA-Analysen von etwa 3.000 verschiedenen Spezies erstellt wurde. In der oberen linken Ecke zeigt der Hinweis „you are here“, wo wir Menschen zu finden sind sind.

Erstellt wurde dieser „Baum des Lebens“ im Labor von David Hillis an der Uni Texas und kann dort zum eigenen Gebrauch, sowie zur Lehre, in höherer Auflösung herunter geladen werden.

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Devil Facial Tumor Disease – eine ansteckende Krebserkrankung

Die beiden größten fleischfressenden Beuteltiere in historischer Zeit

Wenn ich den Begriff Tasmanien höre oder lese, so muss ich als erstes an zwei besondere Tierarten denken. Zum einem ist das der Beutelwolf, oder Tasmanische Tiger (Thylacinus cynocephalus) und zum anderem der Beutelteufel, bzw. Tasmanischen Teufel (Sarcophilus harrisii).

Abbildung 1: Zwei bekannte Vertreter der Fauna Tasmaniens. Links: Benjamin, das wahrscheinlich letzte Exemplar des nun ausgestorbenen Beutelwolfs (Thylacinus cynocephalus, 1933 gemeinfrei); rechts: Der Beutelteufel (Sarcophilus harrisii, Chen Wu unter CC BY 2.0 )

Beide Arten teilen sich das Schicksal, in der Folge der Ankunft des Menschen und der Einführung des Dingos auf dem australischen Festland ausgestorben zu sein, während sich auf Tasmanien noch Populationen erhalten konnten. Leider wurde der Beutelwolf wahrscheinlich in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts, durch intensive Bejagung, auch auf Tasmanien ausgerottet und gilt nun als ausgestorben – ein Schicksal, welchem der Beutelteufel bislang entging. Jedoch sieht auch für den Beutelteufel die Zukunft alles andere als rosig aus.

Eine neue Bedrohung für den Beutelteufel

Im Jahr 1996 wurden im Nordosten Tasmaniens erstmals Beutelteufel fotografiert, welche an großen Tumoren in ihren Gesichtern erkrankt waren (Abbildung 2).

Abbildung 2: Ein am Devil Facial Tumor Disease (DFTD) erkrankter Beutelteufel (Menna Jones unter CC BY 2.5)

In den darauf folgenden Jahren tauchten weitere Berichte über so erkrankte Beutelteufel auf. Bis zum Jahr 2005 hatte sich die Devil Facial Tumor Disease (DFTD) getaufte Krankheit dann über die Hälfte des Ausbreitungsgebiets des Beutelteufels ausgedehnt und hat mittlerweile 85 % der Population erfasst. Wenn sich die Krankheit weiterhin in diesem Maße ausbreitet, so nimmt man an, dass der Beutelteufel innerhalb der nächsten 20 bis 30 Jahren ausgestorben ist (Deakin & Belov 2011, McCallum & Jones 2005).

Übertragen wird DFTD durch Bisse, die sich die Tiere beim Geschlechtsverkehr oder Fressen gegenseitig beibringen. Nach einer Inkubationszeit unbekannter Länge bilden sich dann zunächst die namensgebenden Gesichtstumore, die in etwa 2/3 der Fälle in andere Gewebe metastasieren. Innerhalb von drei bis sechs Monaten nach dem ersten Auftreten der Tumore sterben die Tiere in der Regel dann (Lane et al 2012, Deakin & Belov 2011).

Ursprung des DFTD

Während die meisten ansteckenden Krebserkrankungen, wie z.B. der durch Humane Papillomviren hervorgerufenen Gebärmutterhalskrebs, durch Virusinfektionen ausgelöst werden, liegt beim DFTD die Sache anders.
So zeigen alle bisher untersuchten Tumoren die gleichen chromosomalen Veränderungen. Von den sechs Autosomenpaaren (also den Chromosomen, die keine Geschlechtschromosomen sind) bei gesunden Beutelteufeln, fehlte den DFTD-Zellen z.B. allen das Chromosomenpaar 1 und ein Chromosom des Chromosomenpaars 5, sowie die Geschlechtschromosomen. Jedoch weisen sie dafür vier neue Chromosomen auf, welche typisch für DFTD-Zellen sind. Diese werden als Markerchromosomen M1 bis M4 bezeichnet. Da es sehr unwahrscheinlich ist, dass diese drastischen Veränderungen durch die Infektion mit einem Virus bei allen untersuchten Beutelteufeln identisch hervorgerufen wurden, folgerte man, dass die Tumorzellen selber von Tier zu Tier übertragen werden. Damit sind die DFTD-Zellen Allotransplantate, also Gewebe eines Individuums, welches einem anderen Individuum der gleichen Art eingepflanzt wird. Es unterscheidet sich daher prinzipiell nicht von etwa einem Spenderherzen. Diese Hypothese wurde durch spätere molekularbiologische Untersuchungen noch weiter gestützt.
Versuche die ursprünglichen Chromosomen zu rekonstruieren ergaben, dass das Tier, bei welchem der Tumor ursprünglich entstanden war, zwei X-Chromosomen als Geschlechtschromosomen besaß. Dieses zeigt, genau wie bei uns Menschen an, dass dieses Tier weiblich war. Wir können also den Ursprung des DFTD auf einen weiblichen Beutelteufel, der wahrscheinlich etwas vor 1996 im nordöstlichem Tasmanien lebte, zurück vollziehen. Durch die Untersuchung der Genexpressionsmuster der DFTD-Zellen konnte man sogar die Zelllinie, aus der sich das DFTD entwickelt hatte, bestimmen. Dieses waren die Schwann-Zellen des Nervensystems (Deakin & Belov 2011).

Des weiteren deuten diese Veränderungen der Chromosomen an, dass das DFTD nicht, wie bei Tumoren meistens, durch eine langsame Anhäufung verschiedener Mutationen entstanden ist. Stattdessen schien in einem einzelnen, umwälzenden Ereignis Chromosom 1 in mehrere Teile zerbrochen und anschließend falsch wieder zusammen gesetzt wurden zu sein (Deakin & Belov 2011).

Wieso ist DFTD ansteckend?

Eines der großen Probleme bei Allotransplantaten ist, Abstoßungsreaktionen zu vermeiden. So muss bei Spenderorganen nicht nur die Kompatibilität von Spender und Empfänger abgeklärt, auch muss das Immunsystem mittels geeigneter Medikamente (Immunsuppressiva) kontrolliert werden.
Hier stellt sich die Frage, wieso das bei dem DFTD, welches, wie weiter oben erwähnt, nichts anderes als ein solches Transplantat ist, nicht nötig ist? Oder anders ausgedrückt, wieso die DFTD-Zellen dem Immunsystem der Beutelteufel entkommen können?

Die Antwort hierauf ist noch unbekannt.
Höchst wahrscheinlich spielt hier hinein, dass Beutelteufel zu den bekannten Tierarten mit der geringsten genetischen Vielfalt gehören. Insbesondere wurde hier eine geringe Vielfalt der Proteine des Haupthistokompatibilitätkomplexes (Major histocompatibility complex, MHC), welche für das Immunsystem von herausragender Bedeutung sind,vermutet. Dieses scheint jedoch mittlerweile zweifelhaft.
Hauttransplantationen zwischen verschiedenen Beutelteufeln haben außerdem gezeigt, dass trotz der geringen Vielfalt im MHC Abstoßungsreaktionen auftreten. Die DFTD-Zellen scheinen also einen noch unbekannten Mechanismus zu besitzen, durch dem sie dem Immunsystem der Beutelteufel entkommen können (Lane et al 2012, Deakin & Belov 2011, Miller et al 2011).

Wie kann man die Beutelteufel retten?

Wie eingangs schon erwähnt wurde, ist es sehr wahrscheinlich, dass die Beutelteufel, wenn die Krankheit sich wie bisher weiter ausbreitet, innerhalb von 20 bis 30 Jahren ausgestorben sind.

Um dieses zu verhindern wurde ursprünglich das Keulen der erkrankten Populationen als sinnvollste Maßnahme angesehen. Leider zeigte sich aber, dass dieses wenig Auswirkung auf die Ausbreitung des DFTD hatte und sogar zu der Entwicklung von schneller wachsender und stärker ansteckender Linien des DFTD führen kann (Deakin & Belov 2011).
Auch wurde bisher kein Impfstoff gegen die Krankheit gefunden, Dabei wird die Suche nach einem solchen gerade durch die geringe genetische Vielfalt der Beutelteufel und den Umstand, dass DFTD-Zellen ihren Ursprung in den Beutelteufeln selber haben, erschwert. Dadurch steigt das Risiko, dass das Immunsystem der Beutelteufel nicht nur gegen die DFTD-Zellen agiert, sondern auch gegen Zellen der erkrankten Tiere selber (Deakin & Belov 2011).

Die momentan erfolgversprechendste Strategie scheint die Zucht nicht erkrankter Tiere unter Quarantäne zu sein. Dieses wird z.B. durch Zuchten auf dem australischen Festland erreicht.

Quellen

Deakin, J.E. & Belov, K. (2011). A Comparative Genomics Approach to Understanding Transmissible Cancer in Tasmanian Devils, Annual Review of Genomics and Human Genetics, 13 (1) DOI: 10.1146/annurev-genom-090711-163852

Lane A, Cheng Y, Wright B, Hamede R, Levan L, Jones M, Ujvari B, Belov K.: New insights into the role of MHC diversity in devil facial tumour disease. PLoS One. 2012;7(6):e36955. Epub 2012 Jun 6.

McCallum, H. & Jones, M. (2006). To Lose Both Would Look Like Carelessness: Tasmanian Devil Facial Tumour Disease, PLoS Biology, 4 (10) DOI: 10.1371/journal.pbio.0040342

Miller, W., Hayes, V.M., Ratan, A., Petersen, D.C., Wittekindt, N.E., Miller, J., Walenz, B., Knight, J., Qi, J., Zhao, F. & (2011). From the Cover: Genetic diversity and population structure of the endangered marsupial Sarcophilus harrisii (Tasmanian devil), Proceedings of the National Academy of Sciences, 108 (30) 12353. DOI: 10.1073/pnas.1102838108

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TED-Talk: Moralisches Verhalten bei Tieren

Hier ist ein kurzer, sehr sehenswerter Vortrag von Frans de Waal über moralisches Verhalten in anderen Tierarten:

Unsere Moral scheint also auf durch Evolution erworbenen Grundlagen zu stehen.

Via Jerry Coyne

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Was würde die Evolutionstheorie widerlegen?

Vorgestern bin ich durch Zufall über einen Kommentar unter einem Artikel auf SPON gestolpert. In diesem Kommentar wird, neben einigen andern Unsinn, behauptet die Evolutionstheorie wäre nicht widerlegbar und daher nicht wissenschaftlich.

Das hat mich an einen Artikel erinnert, den ich kürzlich auf dem Blog „why evolution is true“ gelesen habe.

Kurz gesagt ist Evolution die Änderung der Allelverteilung innerhalb einer Population über die Zeit und die Evolutionstheorie beschreibt die Mechanismen nach der das geschieht.

Jerry Coyne gibt sieben Möglichkeiten an, nach denen die Evolutionstheorie widerlegt werden könnte:

  1. Das stetige Auftreten von Fossilien in den falschen Gesteinsschichten (das berühmte präkambrische Kaninchen).
  2. Anpassungen in in einer Population, die ausschließlich einer anderen Population nützen.
  3. Ein Mangel an genetischer Variation in einer Population.
  4. Anpassungen, die nicht graduell entwickelt haben können (die nicht-reduzierbare Komplexität der IDler).
  5. Das häufige Auftreten von Anpassungen, die für das Individuum nachteilig, aber vorteilhaft für die Population sind.
  6. Echtes altruistisches Verhalten unter nicht verwandten Individuen.
  7. Vollständige Nichtübereinstimmung zwischen den Stammbäumen, die auf morphologischer Basis erstellt  und denen, die auf molekularbiologischer Basis erstellt wurden.

In dem Artikel ist das natürlich noch ausführlicher dargestellt, also empfehle ich unbedingt, diesen zu lesen.

Hier ist noch eine Möglichkeit, die ich hinzufügen tmöchte:

  • Der plötzliche Übergang zwischen zwei deutlich verschiedenen Arten, also die Katze, die einen Hund gebärt.

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Die Vogelhochzeit: Artenbildung durch Hybridisierung bei Sperlingen

Zu den offenen, in der Öffentlichkeit jedoch wenig beachteten Fragen der Biologie, gehört das Rätsel um die genauen Abstammungsverhältnisse unter den Haus- (Passer domesticus), Italien- (Passer italiae) und Weidensperlingen (Passer hispaniolensis).

Abbildung 1: V.l.n.r: Fotografien von Männchen des Haussperlings (Passer domesticus), des Italiensperlings (Passer italiae) und des Weidensperlings (Passer hispaniolensis). (Urheber der Einzelbilder v.l.n.r.: Henry Mühlpfordt (Lizenz: CC-BY-SA-3.0,2.5,2.0,1.0), Claudio Gennari (Lizenz: CC-BY-2.0), Francesco Canu (Lizenz: CC-BY-3.0))

Besonders mysteriös ist hierbei die Stellung des Italiensperlings. Durch seine Lebensweise als Kulturfolger, wurde er in der Vergangenheit von einigen Autoren als Unterart des Haussperlings angesehen. Da sein Verbreitungsgebiet sich mit dem des Weidensperlings überschneidet, aber recht scharf von dem des Haussperlings getrennt ist, sahen andere im Italiensperling eine Unterart des Weidensperlings. Eine dritte Möglichkeit ist, dass der Italiensperling eine stabile Population von Hybriden zwischen Haus- und Weidensperling ist. Für letzteres sprach bislang vor allem, dass das Federkleid der männlichen Italiensperlinge eine Zwischenform zwischen den männlichen Weiden- und Haussperlingen darstellt (Abbildung 1) und bekannte Hybride von Weiden- und Haussperling im Aussehen den Italiensperlingen sehr stark ähneln (Alonso 1984, Meise 1936).

Abbildung 2: Verbreitungsgebiete der einzelnen Sperlingsarten (rechts: Vergrößerung des italienischen Verbreitungsgebietes). Grau: Haussperling (Passer domesticus), orange: Italiensperling (Passer italiae), rot: Weidensperling (Passer hispaniolensis), schraffiert: gemeinsames Verbreitungsgebiet des Haus- und Weidensperlings, grauorange: gemeinsames Verbreitungsgebiet von Haus- und Italiensperling, dunkelorange: Verbreitung von Italiensperlingen, die stärker den Weidensperling ähneln, roter Fleck bei der Gargano Halbinsel: sympatrische Weiden- und Italienpopulationen. Die schwarzen Punkte markieren die Orte, an denen Proben genommen wurden (Hermansen et al 2011, mit freundlicher Genehmigung).

Neue genetische Untersuchungen und deren Ergebnisse

Um diese Frage zu klären, hat eine Arbeitsgruppe an der Universität von Oslo nun fünfzehn verschiedene Gene dieser Spatzenpopulationen miteinander verglichen (Hermansen et al 2011). Dazu wurden etwa 750 wildlebenden Spatzen von verschiedenen Orten in Italien, Frankreich, Slowenien und der Schweiz, sowie aus Oslo/Norwegen Blut entnommen (Abbildung 2). Die Sperlinge aus Norwegen dienten dabei, da sie durch eine genügend große Distanz von den Italiensperlingen getrennt waren, als Beispiel für eine reine Hausspatzenpopulation und Sperlinge aus Sardinien, da sie durch das Mittelmeer von den Italiensperlingen getrennt waren, als Beispiel für eine Weidensperlingspopulation.

Die Idee, die Hermansen et al jetzt hatten war, dass wenn Italiensperlinge eine Unterart des Hausspatz wären, bzw. diese beiden Arten wären, die von einem nahen gemeinsamen Vorfahren abstammten,dann müssten sich ihre Gene einander mehr ähneln, als denen der Weidenspatzen. Sie würden also eine Gruppe bilden, die von den Weidenspatzen getrennt wären.
Ähnliches würde gelten, wenn Weiden- und Italiensperlinge auf einen nahen gemeinsamen Vorfahren zurück gehen würden.
Wenn nun aber die Italiensperlinge aus einer natürlichen Kreuzung von Haus- und Weidensperlingen entstanden wären, dann würden zwar sowohl Haus-, als auch Weidensperlinge eine eigene, voneinander getrennte Gruppe bilden, die Italiensperlinge würde man jedoch nicht einer dieser beiden Gruppen eindeutig zuordnen können. Stattdessen würden sie „zwischen“ diesen Gruppen liegen.

Tatsächlich konnten die Autoren der Studie die Individuen der Haus- und der Weidensperlingspopulationen eindeutig zu jeweils einer eigenen Gruppe zuordnen. Die Spatzen der Italiensperlingspopulation wurden dagegen mit etwa der gleichen Wahrscheinlichkeit sowohl der Haus, als auch der Weidensperlingsgruppe zugeordnet (Abbildung 3). Sie lagen also „zwischen“ den Haus- und den Weidensperlingen und bestätigten so die Hypothese, dass Italiensperlinge auf eine natürliche Kreuzung von Haus- und Weidensperlingen zurück gehen.

Abbildung 3: Wahrscheinlichkeit einzelner Sperlinge zu der Gruppe (Cluster) der Haussperlinge, anstatt der Weidensperlinge zu gehören. Jeder Punkt repräsentiert ein Individuum. Die Linie wurde mittels linearer Regression gelegt und zeigt die Veränderung der Zuordnungswahrscheinlichkeit mit zunehmender geographischer Entfernung von der nördlichsten, reinen Italiensperlingsunterpopulation (Hermansen 2011, mit feundlicher Genehmigung).

Des weiteren erkannten Hermansen et al, dass auf der Gargano Halbinsel, dem „Sporn“ des italienischen Stiefels, wo Italien- und Weidensperlinge koexistieren, keine Kreuzung der beiden Sperlingspopulationen stattfindet. Es scheint sich also, dass durch die natürliche Kreuzung der Haus- und Weidensperlinge eine neue Sperlingspopulation entstanden zu sein, die mit der Zeit eine neue Artenbarriere zwischen den so entstandenen Hybriden, den Italiensperlingen und einer der Elternspezies, den Weidensperlingen, ausbildete.
Diese Art der Artenbildung durch Hybridisierung ist aber hauptsächlich bei Pflanzen bekannt. Bei Tieren hingegen scheint diese noch sehr wenig erforscht zu sein.
Zu der anderen Elternspezies, den Haussperlingen, scheint der Italiensperling jedoch alleine durch die Alpen als geographisches Hindernis, getrennt zu sein. In einem dünnen Streifen, in dem beide Arten in geringer Zahl nebeneinander vorkommen, paaren sich die Haus- und Italiensperlinge noch miteinander.

Ein mögliche Erklärung für die Entstehung des Italiensperlings

Aus diesen Untersuchungen leiteten die Biologen der Universität von Oslo ein mögliches Szenario für die Entstehung des Italiensperlings durch Hybridisierung ab.
Da die italienische Halbinsel durch die Alpen von den Hausperlingspopulationen und durch das Mittelmeer von den Weidensperlingspopulationen getrennt war, war diese zunächst ohne eigene Sperlinge. Jedoch verirrten sich ab und an einige Haussperlinge über die Alpen und einige Weidensperlinge über das Mittelmeer nach der italienischen Halbinsel. Da Weiden- und Haussperlinge sich zwar nicht miteinander kreuzen, wenn die genügend potenzielle Partner der eigenen Art vorhanden sind, dies aber tun, wenn es genügend wenige eigene Partner gibt, bildete sich auf der italienischen Halbinsel vor etwa 10.000 Jahren ein Mischschwarm aus, der sich, durch den Lebensstil als Kulturfolger, mit wachsender Landwirtschaft räumlich und in der Anzahl der Tiere, ausdehnte und als eigene Linie etablierte.

Abschließende Bemerkung

Ich habe versucht, einen kurzen und für interessierte Laien verständlichen Überblick über den Artikel zu geben. In dem Original von Hermansen et al. ist natürlich alles noch ausführlicher und besser wiedergegeben. Daher empfehle ich jedem, der sich näher dafür interessiert, sich diesen auch Artikel zu besorgen.

Quellen

Alonso, J.C. (1984). Kreuzung spanischer Haus-(Passer domesticus) und Weidensperlinge(Passer hispaniolensis) in Gefangenschaft, Journal of Ornithology, 125 (3) 340. DOI: 10.1007/BF01640484

HERMANSEN, J.S., SAETHER, S.A., ELGVIN, T.O., BORGE, T., HJELLE, E. & SAETRE, G.P. (2011). Hybrid speciation in sparrows I: phenotypic intermediacy, genetic admixture and barriers to gene flow, Molecular Ecology, 20 (18) 3822. DOI: 10.1111/j.1365-294X.2011.05183.x

Meise, W. (1936). Zur Systematik und Verbreitungsgeschichte der Haus- und Weidensperlinge,Passer domesticus (L.) undhispaniolensis (T.), Journal für Ornithologie, 84 (4) 672. DOI: 10.1007/BF01951015

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Chicken Wings mal anders: Über die Evolution der Vogelextremitäten

In gewisser Weise ist dieser Artikel eine Fortsetzung meines vorherigen blog-Eintrags. Dort wurde, ausgehend von einem Wachturmartikel, der Übergang der Fisch- zu Amphibienextremitäten angerissen. Hier will ich nun eine weitere Vorhersage, welche in dem Wachturmartikel gemacht wurde, betrachten, nämlich der belegbare Übergang von Reptilien- zu Vogelextremitäten.

Es müßte zu sehen sein, daß sich die vorderen Gliedmaßen der Reptilien in Flügel verwandelten, wie sie die Vögel haben, ihre hinteren Gliedmaßen in Beine mit Krallen an den Enden,

Hierfür ist es erst einmal wichtig zu wissen, dass die Reptilien keine einheitliche Gruppe im Sinne der Biologie sind. Stattdessen sind sie, was man als ein paraphyletisches Taxon bezeichnet. Das heißt, dass die Gruppe Reptilien nicht alle Nachkommen eines gemeinsamen Vorfahrens umfasst. In der folgenden Abbildung wird das verdeutlicht:


Abbildung 1: Die Gruppe der Reptilien als Paraphylum. Die grün hinterlegten Gruppen gehören traditionell zur Klasse Reptilia. Die anderen werden hingegen traditionell nicht dazu gezählt. Pisces = Fische, Amphibia = Lurche, Testudina: gemeint sind wahrscheinlich Testudinata = Schildkröten, Lepidosauria = Schuppenechsen, Crocodylia = Krokodile, Aves = Vögel. Unter CC BY-SA 3.0 von Jacek FH

In der Abbildung sind die Gruppen, die traditionell zur Klasse der Reptilien gehören, grün hinterlegt. Was dabei auffällt ist, dass zwei Gruppen aus den Reptilien hervorgegangen sind, die traditionell nicht zu den Reptilien gezählt werden. Zum einen sind das die Synapsiden, deren einzige lebende Vertreter wir Säugetiere sind1. Zum anderen ist das die Gruppe Aves, also die Vögel. Aus der Abbildung ist außerdem ersichtlich, dass die Vögel am nächsten mit den Krokodilen verwandt sind. In der Tat ist es sogar so, dass Krokodile näher mit den Vögeln, als mit den Eidechsen oder gar mit den Schildkröten verwandt sind. Vögel und Krokodile sind die einzigen lebenden Vertreter des Taxons Archosauria.
Aus diesem Grund ist es sinnvoll, die Vögel mit den Krokodilen als nächste lebende Verwandte zu vergleichen.

Vorderextremitäten

Fangen wir also mit dem ersten Teil der Aussage an:

Es müßte zu sehen sein, daß sich die vorderen Gliedmaßen der Reptilien in Flügel verwandelten

In der folgenden Abbildung 2 wird ein Vergleich der Vorderextremitätenskelette der Krokodile und Vögel gezeigt:


Abbildung 2: Vergleich von Krokodil- und Vogelvorderextremität. Unter CC BY 3.0 von John Conway.

In der Tat können wir deutliche Unterschiede zwischen der Vorderläufe der Krokodile und den Vogelflügel sehen. Wie der Wachturmartikel ganz richtig schreibt, sollten wir nun, wenn eine echte naturhistorische Verwandtschaft zwischen diesen beiden Gruppen besteht, Vorderextremitätenformen, die morphologisch zwischen den Extremitäten von Krokodilen und Vögeln stehen, im Fossilbefund finden.

Schauen wir uns dazu die Vorderläufe primitiver Dinosaurier an:


Abbildung 3: Skelett von Eodromaeus (Martinez et al. 2011, p. 208) Eoraptor (Langer, 2004, p. 27) und Lesothosaurus (Norman et al. 2004, p. 329), drei basalen Dinosauriern (http://pigeonchess.com/2011/02/28/a-tale-of-two-dinosaurs/, Zugriff: 13.2.2012).

Besonders interessant ist hierbei Eodromaeus. Dieser wird als früher Theropode angesehen. Also als Mitglied der Gruppe, aus der, neben Tieren wie Tyrannosaurus rex, auch die heutigen Vögel hervor gingen. Auch interessant ist Eoraptor, dieser zeigt noch Charakteristika der verschiedenen Dinosauriergruppen, so dass er als dem gemeinsamen Vorfahren aller Dinosaurier nahestehend angesehen wird.
Diese beiden Dinosaurier zeigen schon eine reduzierte Anzahl von Fingern. Nämlich drei anstatt der fünf der Krokodile. A.nsonsten ähneln die Vorderextremitäten noch recht stark den Krokodilen, besonders denen früher bipeder Krokodile wie Effigia okeeffeae:


Abbildung 4: Rekonstruktion des Skelettes von Effigia okeeffeae (Nesbitt & Norell 2006).

Von den Vorderläufen der Theropoden ausgehend, es nicht mehr weit zu den heutigen Vögeln:


Abbildung 5: Die Vorderextremitäten von einem späten Theropoden (Ornitholestes) und verschiedener Vögel der unterschiedlichen Zeiten. A: Ornitholestes, B: Archaeopteryx, C: Sinornis, D: Modernes Huhn (Talk Origins Zugriff: 15.2.2012).

Die Skizze A stellt die Vorderläufe von Ornitholestes dar, einem Theropoden aus dem späten Jura vor etwa 154 Millionen Jahren.
Skizze B zeigt uns dann schon die Vorderextremität von Archaeopteryx aus dem Ende des Jura vor etwa 150 Millionen Jahren. Dieser steht den ersten Vögeln nahe (wobei darüber gestritten wird, ob es ein Vogel ist, der den Nichtvogeldinosauriern nahe steht, oder ein Nichtvogeldinosaurier, der den Vögeln nahe steht). Es ist unklar, ob Archaeopteryx schon wirklich fliegen, oder nur gleiten, konnte.
Als nächstes zeigt uns Skizze C den Flügel von Sinoris, einen Vogel aus der Kreidezeit. Dieser konnte definitiv schon fliegen.
Zuletzt sehen wir in Skizze D den Flügel eines rezenten Huhns.

Wir können also, wie von dem Wachturmartikel gefordert, sehen, wie sich Vorderläufe von Reptilien langsam in die Flügel der heutigen Vögel verwandelten. Das bedeutet, dass der Wachturmartikel erneut unabsichtlich einen Beleg für die Evolution lieferte.

Hinterextremitäten

ihre hinteren Gliedmaßen in Beine mit Krallen an den Enden

Der Übergang zwischen den hinteren Extremitäten von Reptilien und Vögeln ist dann sogar sehr einfach zu zeigen:


Abbildung 6: Skizze der hinteren Extremitäten eines Emus (Dromæus), eines iganoiden Dinosauriers und eines Krokodils (Crocodilus)( Huxley 1876)

Sieht man sich die Hinterläufen von Vögeln und Krokodilen an, so erkennt man direkt starke Ähnlichkeiten. Zeigt man dann noch die eines Dinosauriers dazwischen, ist es kaum abzustreiten, dass sich diese auf einen gemeinsamen Vorfahren zurück gehen.
Maßstäblich ist hier eine Verlängerung und Verschmelzung der Mittelfußknochen zum Laufbein der Vögel, zusammen mit einer starken Verkürzung des Oberschenkelknochens.
Dieses ist auch teilweise bei Nichtvogel-Theropoden zu erkennen:


Abbildung 7: Rechte Hinterläufe von Alectrosaurus, einem Theropoden aus der Oberkreide (Gilmore 1933)

Abbildung 8: Skelett von Compsognathus, einem kleinen Theropoden aus dem Oberjura vor etwa 150 Millionen Jahren (von Zach Tirrell unter CC BY-SA 2.0)

Fußnoten

1. Klassischer Weise werden wir Säugetiere sogar von der Gruppe der Synapsida ausgenommen. Dadurch wird Synapsida dann auch zu einem Paraphylum.

Quellen:

Conway, John: http://jconway.deviantart.com/ Zugriff: 13.2.2012

Gilmore C. W.: Dinosaurian fauna of the Iren Dabasu Formation. Bulletin of the American Museum of Natural History 67:23-78. (1933)

Langer, Max C. (2004) “Basal Saurischia“, chapter 2 in Weishampel, David B. et al. (2004) The Dinosauria (2nd edition)

Huxley, Thomas Henry: Professor Huxley’s Lectures II. Popular Science Monthly Volume 10 December 1876 (1876). http://en.wikisource.org/wiki/Popular_Science_Monthly/Volume_10/December_1876/Professor_Huxley%27s_Lectures_II

Martinez, Ricardo N. et al. (2011) “A Basal Dinosaur from the Dawn of the Dinosaur Era in Southwestern Pangaea“, Science 331(6014): 206-210

Nesbitt SJ, Norell MA:Extreme convergence in the body plans of an early suchian (Archosauria) and ornithomimid dinosaurs (Theropoda).Proc. R. Soc. B 7 May 2006 vol. 273 no. 1590 1045-1048

Norman, David B. et al. (2004) “Basal Ornithischia“, chapter 14 in Weishampel, David B. et al. (2004) The Dinosauria (2nd edition)

Talk Origins: http://www.talkorigins.org/faqs/comdesc /section3.html

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Tiktaalik: Wie findet man eine Übergangsform?

Anfang des Monats habe ich in einem Forum einen Beitrag gelesen, der, nach Angaben des Erstellers, eine Kopie eines Wachturmartikels ist. Leider konnte ich den Ersteller des Beitrags nicht dazu bringen, mir auch die Ausgabe in der der Artikel erschienen ist, oder den Autor des Artikels zu nennen. Wenn das irgendjemand kann, wäre ich dankbar dafür, dieses mitgeteilt zu bekommen.

Der Artikel selber ist wenig bemerkenswert und besteht zu einem Großteil aus Quote-mining. Jedoch ist eine Aussage des Artikels durchaus beachtenswert:

Wenn die Evolution eine Tatsache wäre, müßte das Zeugnis der Fossilien einen allmählichen Übergang von einer Art in eine andere offenbaren, ganz gleich, welche evolutionstheoretische Variante allgemein anerkannt wird. Selbst Wissenschaftler, die das „punktualistische Evolutionsmodell“ vertreten und somit an schnellere Veränderungen glauben, räumen ein, daß jene Veränderungen vermutlich doch noch während vieler tausend Jahre vor sich gegangen seien.

Damit hat der Autor des Artikels recht. Die Evolutionstheorie macht hier eine Vorhersage, nämlich die, dass es Übergangsformen gibt. Genauer gesagt, sie sagt aus, dass jede Population, solange sie nicht kurz vor dem Aussterben ist, eine Übergangsform ist. Diese Übergangsformen müsste man auch im Fossilbefund finden.

Etwas weiter heißt es:

Würde die Evolution auf Tatsachen beruhen, wäre zu erwarten, daß der Fossilbericht Anfänge neuer Lebensformen erkennen ließe. Zumindest bei einigen Fossilien sollten sich Arme, Beine, Flügel, Augen sowie weitere Organe und Knochen im Entwicklungszustand befinden. Zum Beispiel müßte zu erkennen sein, daß die Flossen der Fische den Beinen der Amphibien immer ähnlicher wurden, ebenso die Kiemen den Lungen. Es müßte zu sehen sein, daß sich die vorderen Gliedmaßen der Reptilien in Flügel verwandelten, wie sie die Vögel haben, ihre hinteren Gliedmaßen in Beine mit Krallen an den Enden, Schuppen in Federn und Mäuler in Hornschnäbel.

Hier wird dieselbe Aussage nochmals wiederholt und um konkrete Beispiele bereichert. Und in der Tat ist das eine konkrete Vorhersage, die die Evolutionstheorie macht. Wenn sie stimmt, dann müssten wir Fossilien der Art finden, wie sie gerade genannt wurden. Fänden wir solche Fossilien, dann hätten wir einen Beleg der die Evolution stützt und eine direkte Schöpfung der rezenten Arten ausschließt.

Im folgenden Artikel möchte ich auf die erste Behauptung eingehen:

Zum Beispiel müßte zu erkennen sein, daß die Flossen der Fische den Beinen der Amphibien immer ähnlicher wurden

Neil Shubin beschreibt in seinem Buch Der Fisch in uns (leider besitze ich nur die deutsche Übersetzung und nicht das englischsprachige Original), wie er ein Fossil fand, welches genau diese Kriterien erfüllt.

Schauen wir uns die Vorderextremitäten der Lurche an, so sehen wir, dass diese aus einem Oberarmknochen, zwei Unterarmknochen (Elle und Speiche), dann einer Vielzahl von Handwurzelknochen, mehreren Mittelhandknochen und schlussendlich ebenfalls einer Vielzahl an Fingerknochen bestehen. Dieses Schema bezeichnet Shubin ebenso salopp, wie einprägsam, als „ein Knochen – zwei Knochen – Knöchelchen – Finger“. Und dieses Schema finden wir bei allen Tetrapoden, also allen Wirbeltieren mit Ausnahme der Fische.


Abbildung 1: Zeichnung verschiedener Tetrapodenextremitäten: 120 Salamander, 121 Schildkröte, 122 Krokodil, 123 Vogel, 124 Fledermaus, 125 Wal, 126 Maulwurf, 127 Mensch (Leche 1909)

Dieses Schema finden wir auch schon bei den ältesten uns bekannten Amphibium Ichthyostega, dessen Alter mit etwa 370 Millionen Jahren bestimmt wurde.

Abbildung 2: a) Rekonstruktion des Skeletts von Ichthyostega e) Vorderextremität von Acanthostega. hu = Humerus = Oberarmknochen, ra = Radius = Speiche, ul = Ulna = Elle g) Hinterextremität von Ichthyostega. ti = Tibia = Schienbein, fi = fibula = Wadenbein (Ahlberg & Milner 1994).

Wie gerade erwähnt sehen die Extremitäten der meisten Knochenfische deutlich anders aus. Hier befinden sich am Ansatz der Brustflossen, die als homolog zu unseren Armen/Vorderläufen zu sehen sind, viele Knochen. Daran schließt sich dann Knorpel und Flossenhaut an.

Wie aus der Formulierung „der meisten Knochenfische“ schon zu ahnen ist, gibt es da eine rezente Ausnahme, nämlich die Lungenfische. Diese besitzen am Flossenansatz nur einen Knochen. Das heißt also, dass sie einen Oberarmknochen aufweisen.
Wir haben nun also schon den ersten Teil unseres „ein Knochen – zwei Knochen – Knöchelchen – Finger“ Schemas.
Wie der Name dieser Fische schon andeutet, besitzen sie ebenfalls eine primitive Lunge. Das dieses beides bei diesen Tieren zusammen fällt, sollte uns zu denken geben.

1881 fand man dann in Quebec das Fossil eines Fisches der Eusthenopteron getauft wurde und auf ein Alter von etwa 385 Millionen Jahren bestimmt wurde. Dieser Fisch zeigte im Anschluss an einen Oberarmknochen, den er wie die Lungenfische besaß,zwei weitere Knochen. Er hatte also schon den „ein Knochen – zwei Knochen“ Teil des „ein Knochen – zwei Knochen – Knöchelchen – Finger“ Schemas und zwar eingebettet in eine Flosse.

An der gleichen Stelle in Grönland, an der in den 20er Jahren das älteste Amphibium Ichthyostega gefunden wurde, fand man im übrigen 1988 ein weiteres frühes Amphibium, welches aus etwa der gleichen Zeit stammt. Dieses Acanthostega genannte Tier hatte zwar den gleichen „ein Knochen – zwei Knochen – Knöchelchen – Finger“ Aufbau seiner Extremitäten, wie alle anderen Tetrapoden, jedoch war an ihm interessant, dass seine Gliedmaßen nicht zur Bewegung an Land geeignet waren. Das führte zu der Hypothese, dass die ersten Tetrapodaextremitäten zum Klammern an den Untergrund, bzw. Pflanzen in flachen Gewässern genutzt wurden.

Abbildung 3: Extremitätenskelette von Zebrafisch, Lungenfisch, Eusthenopteron und Acanthostega (von oben nach unten) (Shubin 2008, S.46). Benutzt mit freundlicher Genehmigung von Kalliopi Monoyios.

Was nun fehlte, war ein Fisch, der ein frühes Handgelenk aufwies. Also einer, der die vielen Knöchelchen, die man ja auch schon in Eusthenopteron erkennen kann, in irgendeiner funktionellen Art mit den zwei Knochen verband. Und zwar in einer Weise, die noch kein vollständiges „ein Knochen – zwei Knochen – Knöchelchen – Finger“ Schema ist. Da man wusste wie alt die frühsten Lurche waren (etwa 370 Millionen Jahre als) und wie alt die jüngsten Fische, die ein „ein Knochen – zwei Knochen“ Schema aufwiesen (385 Millionen Jahre) waren, wusste man, wie alt die Gesteine waren, in denen man suchen musste. Nämlich zwischen 385 Millionen Jahren und 370 Millionen Jahren alt. Außerdem wusste man, dass Fossilien am besten in Sedimentgesteinen langsam fließender Gewässer entstehen und dass alle relevanten Fossilien im Bereich Grönland und Nordamerika gemacht wurden. Mit diesem wissen konnte man einen Bereich suchen, wo genau solche Gesteine an der Oberfläche frei lagen. Diesen fand man auch im Nordosten Kanadas in dem Nunavut-Territorium.
Wie vorhergesagt, konnte nach einigen Jahren der Suche, im Jahr 2004, dann auch genau so ein Fisch gefunden werden, wie man suchte. In Abstimmung mit den Einwohnern der Nunavut-Territoriums wurde dieser Fisch Tiktaalik, was soviel wie großer Brackwasserfisch bedeutet, genannt.

Abbildung 4: Brustflosse von Tiktaalik roseae a) in dorsaler (von "oben") und b) in ventraler (von "unten") Ansicht (Shubin et al. 2006).

Wie man im obigen Bild sieht, schließt sich an einen der zwei Knochen des „ein Knochen – zwei Knochen“ Systems, der unserer Elle entspricht, ein kleiner würfelförmiger Knochen an. Dieser trägt an Ende ein Gelenk, an dem vier weitere Knochen anschließen können. Es ist ein primitiver Handwurzelknochen und damit Teil eines primitiven Handgelenks, also genau das, wonach Shubin mit seiner Arbeitsgruppe gesucht hatte.

Wir können also, genau so, wie vorhergesagt und von Deinem Artikel gefordert, erkennen, „daß die Flossen der Fische den Beinen der Amphibien immer ähnlicher wurden“.

Schön ist hier, dass, der Rechtschreibung nach, der Wachturmartikel vor der Rechtschreibreform von 1996 geschrieben wurde. Diese spezielle Vorhersage die in ihm über die Evolution getätigt wurde, konnte dann 2004 bestätigt werden. Dadurch stützt der Wachturmartikel in schöner Weise, wenn auch wahrscheinlich unfreiwillig, die Evolution.

Quellen:
AHLBERG, PER E & MILNER, ANDREW R: The origin and early diversification of tetrapods. Nature 368, 507 – 514 (07 April 1994)

LECHE, WILHELM: MÄNNISKAN HENNES UPPKOMST OCH UTVECKLING, , Aktiebolaget Ljus, Stockholm 1909. Centraltryckeriet, Stockholm 1909. (http://runeberg.org/lecheman/0102.html Zugriff 20.1.2012)

SHUBIN, NEIL H; DAESCHLER, EDWARD B & JENKINS, FARISH A Jr:The pectoral fin of Tiktaalik roseae and the origin of the tetrapod limb. Nature 440, 764-771 (6 April 2006)

SHUBIN, NEIL H: Der Fisch in uns: Eine Reise durch die 3,5 Milliarden Jahre alte Geschichte unseres Körpers.Fischer (S.), Frankfurt; Auflage: 2 (6. Mai 2008), ISBN-13: 978-3100720047 ( http://tiktaalik.uchicago.edu/book.html)

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